Textatelier
BLOG vom: 21.10.2008

Zu Freitod Tod und Sex: Schwarze Blätter aus England

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Als Jüngling führte ich ein Tagebuch. In einem glanzschwarz eingebundenen Heft trug ich „Schwarze Blätter“ ein, schilderte meine kleinen Plagen und Nöte. Ich gab dieses Unterfangen bald wieder auf, den „Weissen“, oder genauer gesagt, „bunten Blättern“ zuliebe: Meine Lebensfreude überwog.
 
Im Herbst fallen Blätter ungleich diesen, die hier leider nicht bunt sind, sondern zwischen Grau und Pechschwarz variieren und mich ausserhalb meines „Selbst“, also aus der Umwelt zufliegen.
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Das Recht zu sterben
Der erbarmungswürdige 23-jährige Daniel James, während eines Rugby-Matchs verunfallt und seither schwer gelähmt, war des Lebens überdrüssig und bat seine Eltern inständig um Sterbehilfe. Dans dreimalige Selbstmordsversuche scheiterten, körperlich arg behindert und von Schmerzen gepeinigt wie er war. Beihilfe zum Selbstmord gilt in England – im Gegensatz zur Schweiz – als ein Verbrechen.
 
Im September 2008 begleiteten die Eltern ihren Sohn zur Dignitas-Klinik in Zürich, eine gemeinnützige Institution, die Schwerkranken und Behinderten Beihilfe zum Freitod leistet. Wie hätten wir als Eltern gefühlt und gehandelt? Zum Recht des Lebens gehört auch das Recht auf den eigenen, frei gewählten Tod. Zur Elternliebe gehört auch grenzenlose Barmherzigkeit. Weder die Polizei noch die Religion ist befugt, den Freitod, mit oder ohne Beihilfe, zu verdammen. Ja oder nein? Die Meinungen gehen auseinander.
 
Ich wähle 4 am Sonntag, den 19.10.2008, in der Sunday Times erschienene Leserzuschriften aus:
Simon aus Birmingham: „Ich habe Kinder und Erwachsene gepflegt, die ihre Kontrolle über Blasen und Glieder verloren haben und auch Menschen, die sich kaum mehr verständigen konnten. Das ist furchtbar. Aber ihr Leben ist heroisch und wertvoll. Das Gesetz sollte sie und ihr Leben schützen.“
M. Cawdery, Portadown: „Selbstmord ist kein Verbrechen, und ich verstehe nicht, dass etwas, das kein Verbrechen ist, ein Verbrechen ist. Kann sich jemand eine perversere Situation vorstellen?“
Sascha, London: „Warum ist es nicht richtig, jemand zum Freitod zu verhelfen? Ich sehe nicht ein, weshalb dies so konfus ist. Ihr Leben, ihre Wahl.“
Harry, London: „Gut für Dignitas. Warum sollten Leute nutzlos leiden müssen, wegen eines stupiden Gesetzes? Folgen Sie dem Schweizer Beispiel, und wenn wir schon beim Thema sind, lasst die Schweiz unsere Züge fahren …“
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Dubai: Sex am Strand
Ein betrunkenes britisches Paar, das öffentlich am Strand kopulierte, wurde von der Polizei in Dubai aufgegriffen und anschliessend zu 3 Monaten Knast verurteilt, ehe sie nach England heimgeschickt werden. Er war 34 Jahre alt, sie 36. In einer Bar hatten sie sich zufällig getroffen und nach einem Zechgelage den Strand aufgesucht. Treffender hätte es die Kolumnistin Minette Marrin, (ebenfalls in der „Sunday Times“ vom 19.10.2008 erschienen) nicht sagen können:
 
„Aus der Sicht des Paars war es offensichtlich normal, dass sich 2 Fremde in einer Bar treffen und sich alsdann besoffen öffentlich f… Ganz normal auch, dass sie den Sittenwächter unflätig beschimpften, und es frech weiter trieben. ,Das ist es’ bemerkte Minette Marrin, ,wie sich Briten im eigenen Land und im Ausland benehmen. Sie kotzen, furzen, kopulieren und treiben ihr Unwesen in aller Öffentlichkeit, scham- und anstandslos aufgemacht wie Huren und Rüpel (,hookers and louts’). Im Ausland lebende Briten (,expatriates’) gehören zu den schlimmsten Frevlern, die sich über die Landessitten hinwegsetzen.“ (Hier möchte ich anmerken, dass ich die Engländer lange für ihre guten Sitten bewundert habe, die jetzt mehr und mehr dahinserbeln.)
 
Islamische Kulturen – so viel wusste dieses Paar gewiss auch – legen grossen Wert auf Moral und Züchtigkeit. Kein Wunder, dass solche britische Unsitten besonders vom Mittleren bis zum Fernen Osten gebrandmarkt werden – und das ist rechtens so. (Selbst in Spanien und Italien werden halbnackte Touristen aus der Kirche gewiesen.)
 
Gewiss  verargt niemand jungen Leuten in unseren Breitengraden, wenn sie sich küssen und kosen, vielleicht nicht unbedingt untertags mitten auf belebten Strassen und in Stadtpärken – sondern etwas diskreter abseits und ausserhalb des Rampenlichts (möglicherweise ausgenommen in der hintersten Kinoreihe …).
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Das Leiden der Afghanen
Auf die westlichen Kriegszüge im Irak und in Afghanistan will ich in diesem Zusammenhang hier gar nicht eingehen – denn es ist ad nauseam (bis zum Überdruss) belegt, welches Leid sie mit ihrem Arsenal unter der Zivilbevölkerung angerichtet haben – und weiterhin anrichten – unter dem wehenden, blutroten Banner der so genannten Demokratie, angereichert mit Foltermethoden. Jetzt soll die britische Besetzungsmacht nochmals um weit über 5000 Soldaten in Afghanistan aufgestockt werden unter dem Vorwand, die Infrastruktur als Friedensträger aufzubauen. Weder die Finanzkrise noch die Wirtschaftsrezession hält sie davon ab, neues Unheil anzurichten, wiewohl diese Kriege längst verloren sind.
 
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