Textatelier
BLOG vom: 06.09.2009

Einige Vignetten zum Abschied des Londoner Sommers

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Der vom Wetteramt angekündigte sonnige Sommer ist, mit Ausnahme von wenigen warmen Tagen, auch dieses Jahr 2009 in England ausgeblieben. Das wechselhafte Wetter ist traditionell ein Lieblingsthema der Engländer. Immerhin erhitzt das Thema die Gemüter besser als ein Sonnenbrand.
 
In freien Stunden fange ich jeden Sonnendurchbruch auf, bis unfehlbar die nächste geblähte Wolke vom Wind genau vor die Sonne getrieben wird. Dort bleibt sie haften, verbreitert sich und will zur Regenwolke werden. Dann lege ich meine Lektüre zur Seite und zähme etwas den vom Regen hochgetriebenen Wildwuchs. Nein, ich bin kein passionierter Gärtner und tue nur das Notwendigste. Die Vögel sind mir dankbar, dass ich einen weiten Bogen um ihre Nistplätze mache.
 
Am Morgen des 02.09.2009, eben bevor es zu rieseln begann, pflückte ich einige der wenigen Tomaten, die ohne triftigen Grund stellenweise ihr sattes Grün gegen ein helleres Grün gewechselt haben und jetzt zwischen dem Obst in der Fruchtschale auf ihr Reifezeugnis harren – oder schlicht und einfach verfaulen …
 
Mehr Glück habe ich mit den Kräutern, die sich in den grossen Kübeln wohlfühlen – und dieses Jahr ausnahmsweise auch mit dem Salat, der ebenfalls in grossen Töpfen untergebracht ist und nichts gegen den Regen hat. Die Schnecken kriechen nicht über zerstückelte Eierschalen und Kupferpennies. Letztere ernte ich nach dem Sommer und bewahre sie für die nächste Salatzeit auf. Wie kommt es, dass die Trauben uns jetzt so zuckersüss aufwarten? rätsle ich. Vielleicht zapfen sie von der Sonne durch die Wolken ab.
 
Vorderhand sind wir von der Wespenplage verschont geblieben. Sie seien dieses Jahr besonders aggressiv, wird uns gemeldet, und hätten sich gewaltig vermehrt. Den Regenwürmern war der nasse Sommer ebenfalls höchst willkommen. Die Amseln jubeln. Schon wieder zerrt eine den armen Wurm aus der aufgeweichten Erde. Ohne böse Absicht habe ich den Vogel von seinem Leckerbissen verscheucht. Ich bücke mich. Damit habe ich diesen Regenwurm gerettet, wenigsten 2 Drittel von ihm. Weil er sich in die Erde verkriecht, wird er überleben, und die Natur wird ihm das verlorene Drittel nachwachsen lassen. Was, wenn sich unsere Bratwurst so benähme wie der Regenwurm und auf dem Teller zappelte? Ich lasse die Frage unbeantwortet, denn einen plötzlichen Durchstich der Sonne will ich nicht verpassen.
 
Wer sonst freut sich am verregneten Sommer? Zweifellos die Touristen, die der Tropenhitze und Dürre in Saudi Arabien entfliehen und ihre „Petrodollars“ in London loswerden. Die Kinder haben ihr Gaudium und springen voller Freude in die Tümpel. Auch die Spinnen werden satt, weil sich so viele Mücken in ihre Netze verfangen.
 
Jetzt prasselt ein tolles Gewitter nieder. Wie Heinzelmännchen springen die Tropfen auf dem Asphalt hoch. So gewinne auch ich meinen Spass am Wetter und freue mich auf ein scharfes Curry, das meinen Gaumen besser absengt als alle Sommersonnenstrahlen. Ein Humpen Bier wird mein Durstlöscher sein. Ein schöner Herbst stehe uns bevor, so meldet das Wetteramt.
 
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