Textatelier
BLOG vom: 24.02.2005

Sterben deutschsprachige Schüler und das Deutsch aus?

Autor: Heinz Scholz

 

„Berliner Schule: Deutsch stirbt aus“: Dies war am 20. Februar 2005 „Focus online“ zu lesen. Zur gleichen Zeit vermeldete „Spiegel online“, dass in der „Eberhard-Klein-Oberschule“ in Berlin (Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg) der Anteil von Schülern nichtdeutscher Herkunft auf 98,5 % angestiegen ist. Auch der „Tagesspiegel“ warf ein Horrorszenario von den Zuständen in deutschen Schulen an die Wand: Zukünftig seien die Lehrer die einzigen Deutschen, und kein einziges deutsches Kind gehe mehr in solche Schulen.

Der Schulsenator Klaus Böger (SPD) stellte dazu mit Realitätsbezug fest: „Es ist weder die Schule noch der Schulaufsicht möglich, eine verträglichere Zusammensetzung der Schülerschaft herbeizuführen.“ 

Verzweifelt wandte sich der Schulleiter der genannten Schule an die Öffentlichkeit: „Wenn sich deutsche Eltern hierher verirren, fühle ich mich verpflichtet, ihnen zu raten, ihre Kinder an einer anderen Schule anzumelden.“ 

Aber das ist nicht immer einfach. In den Nachbarschaftsschulen in Berlin-Kreuzberg sind ähnliche Quoten vorhanden: An der Gerhart-Hauptmann-Realschule liegt der Anteil der Schüler ausländischer Herkunft bei 90,4 %, an der Borsig-Realschule bei 86 %. Die meisten Schüler an den erwähnten Schulen sind türkischer (85 %) und arabischer (10 %) Herkunft.

Als ich diese Meldung mit einem Lehrer aus Schopfheim D diskutierte, sagte er, auch in anderen Schulen sei die Anzahl von Ausländerkindern stark angestiegen. „Kein Wunder, dass die deutschen Schulen bei der PISA-Studie so schlecht abgeschnitten haben“, so der Lehrer. Dann betonte er, dass eines der Hauptprobleme die schlechten Deutschkenntnisse seien.

Auch ein ehemaliger Gewerbeschullehrer, der viele Jahre in Rheinfelden D Schüler ausgebildet hatte, erzählte mir unglaubliche Dinge. So waren vor einigen Jahren über 20 verschiedene Nationen in dieser Schule vertreten gewesen. Besonders die Russland-Deutschen, die eine starke Gruppe bildeten, hatten einen schlechten deutschen Sprachschatz. Der Lehrer: „Sie sassen in den Pausen immer in einer Ecke des Klassenzimmers und unterhielten sich auf Russisch. Es war sehr schwer, die Burschen zu motivieren.“

Auch der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu, ehemaliger Schüler der Eberhard-Klein-Oberschule, äussert sich in ähnlicher Weise. „Wenn eine der Sprachen dominiert, ziehen sich die Kinder in ihre ethnischen Nischen zurück, und die Lehrer haben keinen Zugang mehr zu diesen Schülern.“ 

„Wir haben es mit 30 Jahren verfehlter Einwanderungspolitik zu tun, dafür zahlen wir jetzt den Preis“, betonte Wilfried Bos, Erziehungswissenschaftler aus Hamburg. Er fügte bei, dass das sprachliche Verständnis der Schlüssel zu guten schulischen Leistungen sei, besonders bei Textaufgaben, in Mathematik oder in Bezug auf die Sachtexte im Biologiebuch.

„Stirbt Deutsch als Fachsprache aus?“ Dies fragte sich der Rat für Deutschsprachige Terminologie (RaDT). Diese Organisation sieht in den Anglizismen keine Gefahr, „sondern vielmehr ein Zeichen für die Vitalität einer sich stetig wandelnden Sprache“. Der Rat verweist jedoch auf die häufig unnötige Anwendung von englischen Fachwörtern und vertritt die Ansicht, dass diese selten der besseren Verständigung dienen. Der Rat befürchtet, dass das Deutsch als Fachsprache immer mehr zurückgedrängt wird und eines Tages überhaupt verschwindet. Es gibt ja inzwischen im deutschsprachigen Raum schon viele Fachbücher, Lehrbücher und Vorlesungen in englischer Sprache.

Der RaDT fordert deshalb: „1. Fachsprachliches Deutsch muss als effizientes Werkzeug zur Erleichterung des innersprachlichen Wissenstransfers und für den Gebrauch des Deutschen in der internationalen Fachkommunikation gezielt ausgebaut werden. 2. Transparenz und Motivation der Fachausdrücke, Verständlichkeit und demokratische Aspekte des Abbaus von Informations- und Sprachbarrieren müssen dabei erhalten werden.“ 

In meiner Zeit bei Novartis wurden die meisten Bedienungsanleitungen für Geräte nur in Englisch zur Verfügung gestellt. „Mit den Deutschen kann man das ja machen“, meinte ein Kollege und fügte hinzu: „In Frankreich, wo mehr Wert auf eine saubere Sprache gelegt wird, wird alles übersetzt. Die Firmen wissen genau, dass sie andernfalls keine Chance haben, ihre Geräte abzusetzen. Diesbezüglich müsste man etwas stur sein und die Firmen unter Druck setzen.“

Vielfach sind die Deutschen selber schuld, wenn sie die deutsche Sprache, diese Sprache der Dichter und Denker, immer mehr mit Anglizismen verschandeln. Aber es gibt jetzt zum Glück Gegenbewegungen. Nicht nur Autoren des Textateliers.com bemühen sich redlich, Anglizismen selbst in der Web-Sprache möglichst nicht zu verwenden (Rundbrief statt Newsletter, Inhaltsverzeichnis statt Sitemap usf.), sondern es wurde in Berlin sogar eine WG gegründet, deren Teilnehmer sich verpflichten, kein „Denglisch“ zu sprechen.

Unter www.computerbase.de/forum schrieb ein Teilnehmer des Forums Folgendes: „Richtig zum Brechen finde ich ‚gedownloadet’ oder ähnliche Katastrophen. Dass man im Computerbereich das Wort ‚Lapto’ benutzt, empfinde ich weniger schlimm. Aber auch hier gibt es mit Einschränkung Grenzen. ‚Handy’ ist wohl eine der dümmsten Wortschöpfungen überhaupt. Ich glaube schon, dass unsere Sprache allmählich zerhackt und dümmlich entstellt wird.“ Ein anderer prophezeite sogar, die ganze deutsche Sprache würde in Zukunft durch das Englisch verdrängt werden.

Wir wollen hoffen, dass nicht alles so heiss gegessen wie gekocht beziehungsweise dargestellt wird. Aber bleiben wir wachsam! Wir sollten uns einen Ausspruch von Otto von Leixner (1847 bis 1907) im Werk „Aus dem Leben für das Leben“ hinter die Ohren schreiben, der lautet: „An deiner Sprache , Deutscher, halte fest! Weh dem, der diesen Schatz sich stehlen lässt. Wer erst beginnt, das reine Wort zu fälschen, Dem kann gar bald auch Kopf und Herz verwälschen.“

Und Jean Paul lobte die deutsche Sprache in den höchsten Tönen, indem er sagte: „Die deutsche Sprache ist die Orgel unter den Sprachen.“

Klangvolle Instrumente sollte man nicht leichtfertig wegwerfen. Sonst bleiben uns am Ende nur noch die E-Gitarren.

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