Textatelier
BLOG vom: 14.11.2012

Film „Lachsfischen im Jemen“ - ein absurdes Melodrama

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Man nehme: 
- eine verschrobene Idee,
- Eheprobleme,
- eine Liebesgeschichte,
- aktuelle politische Bezüge,
- einen feudalen Herrscher in einem orientalischen Lande mit viel Geld,
- eine für westliche Länder unbekannte Kultur,
- eine fremde Religion und Anhänger, die fortschrittsfeindlich sind,
-  Klischees, wie Regierungsmitglieder, die mit Hilfe der Pressestelle die Bevölkerung manipulieren und Pressemitarbeiter, die Marionetten von Regierungsmitgliedern sind,
-  ein paar lebensgefährliche Situationen,
-  Problemlösungsstrategien, um Widerstände zu bewältigen,
-  einen Akt des Scheiterns,
-  ein Ende mit Aussicht.
 
Diese Zutaten mixe man kräftig, mische ein wenig Humor darunter, lasse ein exotisches Land im Kontrast zu Grossraumbüros in Grossbritannien sehen, würze das Ganze mit einer Prise Erotik und Zukunftsvisionen. Fertig ist eine filmreife Story!
 
Paul Torday hat das Buch mit dem Namen „Lachsfischen im Jemen“ geschrieben, das 2011 in Grossbritannien und im Mai 2012 in Deutschland unter demselben Titel in die Kinos kam.
 
Die Geschichte handelt von einem Scheich aus dem Jemen, der in seinem Land einen Stausee hat bauen lassen. Darin möchte er Lachse als Fischbestand haben, die er auch angeln will. Die britische Regierung benötigt einen Medienauftritt, der ein Kontrast zu den Negativmeldungen unter anderen aus Afghanistan sein soll. Das Pressebüro des britischen Aussenministers greift die Idee auf. Durchführen soll sie ein zuerst störrischer Ichthyologe, der einen Preis für einen künstlichen Fisch-Köder bekommen hat; eine Agentur soll das Projekt befördern und das Pressebüro es begleiten. Der Wissenschaftler ist unglücklich verheiratet, die Mitarbeiterin der Agentur verliebt, aber der Freund muss als Soldat nach Afghanistan und wird dort vermisst. Es wird die Lösung gefunden, statt wild lebender Lachse Zuchtlachse zu nehmen. Der Wissenschaftler verliebt sich in die Mitarbeiterin. Das Projekt wird direkt nach der geglückten Vollendung von einem Moslemstamm, der es als Blasphemie ansieht, sabotiert; dabei rettet der Wissenschafter dem Scheich das Leben. Der vermisste Soldat taucht wieder auf. Am Ende entscheidet sich die Freundin für den Wissenschaftler.
 
Der Scheich denkt in anderen Kategorien als die Leute aus dem Westen. Der Glaube an die Realisierung einer Idee ist für ihn religiös. Geld ist für den jemenitischen Scheich kein Problem, auch wenn die Bevölkerung in Zelten hausen muss. Politiker in London lassen sich von Presseleuten vereinnahmen und haben keine eigenes Durchsetzungsvermögen. Die Medien spielen mit. Der Soldat, der als Einziger von einem Einsatz lebend zurückkommt, wird zum Helden stilisiert, den er auch verkörpert, denn er zeigt keinerlei psychische oder physische Beeinträchtigungen aus dem Einsatz.
 
Ein moderner Kinofilm muss heutzutage wohl immer eine Liebesgeschichte sein, die aktuelle Bezüge aufgreift und in einen verkitschten Ablauf einbaut. Was ist glaubwürdiger, eine verrückte Idee, Marionettenpolitiker oder die Boulevardpresse, die daraus Profit schlägt?
 
Kritiken reden von „einer optimistischen Metapher über die Annäherung von Abend- und Morgenland“, einem „absurden Stoff“, der „in ein überzogenes Melodram mündet“ und von einer „absurden Parabel“.
 
Motto: Wir leben in einer verrückten Welt, im Westen wie im Osten. Das Prinzip Hoffnung kommt nicht zu kurz: Die Kulturen kommen sich näher. Natürlich ist der Orient auf das Abendland angewiesen. Die eine Seite ist gläubig, die andere ungläubig, aber weiss, wie man Ideen umsetzt. So ist doch alles gut verteilt!
 
Sie gehen ins Kino, nur um mit Humor, mit einem ersehnten Happy-End und mit ein wenig Exotik unterhalten zu werden? Dann werden Sie den Film geniessen!
 
Quelle
 
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