Textatelier
BLOG vom: 21.09.2013

Wenn Laute zu Sprache und Wörter verdoppelt werden

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Eine Übernachtung auf dem Bauernhof.
Morgens um 5 Uhr. Das Fenster ist geöffnet. Auf der einen Seite ist ein Wald, auf der anderen Seite sind die Ställe, eine Wiese und ein Feld.
 
Ich liege im Bett und lausche.
 
Ich höre es trillern und klatschen.
Es schnalzt und kollert. 
Kiwitt! Kiwitt!
Muck! Muck!
Gurr! Gurr!
Ruckedidu! Ruckedidu! 
Ich höre Geräusche aus der anderen Richtung. 
Summ! Summ!
I-ah!I-ah! 
Es schnattert.
Quak! Quak!
Gack! Gack! Kikerikie! Kikerikie! 
Es ist für einen Moment ruhig.
 Summ! Summ!
Zirp! Zirp!
Krah! Krah!
Buss! Buss!
Fiep! Fiep!
Kuckuck! Kuckuck! 
Und dann ganz laut. 
Wieher! Wieher!
Wuff! Wuff! Wau! Waau!
Miau! Miau! Pfch!
Meck! Meck! Mäh! 
Aus der hinteren Ecke lässt sich auch etwas vernehmen:
 
Oink! Oink! Grunz!
Muh! Muh!
Bäh! Mäh! Möh!
 
Und aus dem Teich kommt: quak, quaak!
 
Ganz schön viel los hier! Das ist ja schlimmer als in der Stadt! Keine Ruhe hat man! Die Kuh, die muht, das Schaf blökt, die Ziege meckert, das Schwein quiekt und grunzt, die Katze miaut, die Ente schnattert, die Katze miaut, die Taube gurrt, das Pferd wiehert, die Maus piept, der Rabe krächzt, der Hahn kräht, und was da sonst noch so kreucht und fleucht, macht meistens weitere Geräusche. Und die Nachtigall, die schlägt! Wen denn nur? Knall auf Fall entschloss ich mich, aufzustehen!
 
Der Hahn macht cocorico, kukeleku, quiquiriqui, cock-a-doodle-do, kokekokkoo, gaggalagú, oder er beschränkt sich einfach auf ein Kikeriki. Es kommt darauf an, in welchem Land der Hahn residiert, ob in Frankreich, in den Niederlanden, in Spanien, im Vereinigten Königreich, in Japan oder in Island! Ob die Hähne sich verstehen, wenn sie ins Ausland gehen? Vielleicht hilft ein Sprachkurs!
 
Auch Hunde werden ihre Probleme haben: wuff, wuff; oua, oua; wau, wau, guau, bow wow, ham ham, bau bau, bup bup!
 
Die Welt der Töne wird durch die Sprache nachgebildet, und in allen Sprachen der Welt ist diese Möglichkeit in einem gewissen Umfang verwirklicht. Und je nach Sprache und Herkunft sind die Sprachwerkzeuge und das Hören verschieden, Geräusche kommen unterschiedlich beim Einzelnen an.
 
Nicht immer lassen sich von den Tiernamen die Laute ableiten, es kommt vor, dass der Sprachlaut und der Naturlaut durch die innersprachliche Lautentwicklung zerrissen werden. Ein schönes Beispiel ist der Name des Hähers oder Eichelhähers, der ursprünglich die Form kikison hatte, deutlich die Wiedergabe des Naturlautes. In Bern heisst der Vogel heute Härregägger.
 
Wir sind beim Thema der Lautmalerei und der Lautsymbolik, der Onomatopöie. Den Comic-Freunden ist das nichts Neues, dort lesen sie häufiger einmal Zack, Peng, Krrrch, Seufz und Keuch, Bauz, Rums, meistens mit einem Ausrufezeichen dahinter.
 
Wörter mit Doppel-r in der Mitte erzeugen diesen Laut im Ohr, der meist keine angenehmen Erinnerungen hervorruft:
 
Gurren: Die Tauben lassen mich morgens früh einfach nicht schlafen!
Murren: Wieder ist sie/er nicht einverstanden mit dem, was ich vorschlage!
Surren: Ich will nicht von der Mücke gestochen werden!
Knarren: Was ist das für ein Geräusch im Dunkeln, sind da etwa Mäuse?
Flirren: Die Luft flirrt in der Hitze, es ist heiss!
Schwirren: Die Fliegen nerven langsam!
 
Wörter, die mit /schl-/ beginnen, wecken oft auch unangenehme Assoziationen:
Schleim, schlüpfrig, schlampig, schlimm, schleichen, schlagen, schlottern, schludrig,
Schlund, schlittern….
 
Achten Sie einmal auf Ihre Empfindungen bei Wörtern mit /-tz/:
Spitz, Witz, ritzen, blitzen, spitzen, hetzen, wetzen, flitzen.
 
Entsteht nicht das Geräusch im Ohr bei:
Klappern, klimpern, plappern, plaudern, plauschen, planschen, platsch, prusten, explodieren?
 
Wenn Sie eine Flasche Bier mit Bügelverschluss öffnen, hören Sie ein lautes Plopp, Knirschen, Knarren, Knartzen, Knicken, Kneifen, Knurren, Knacken? Die Knackwurst knackt mit Naturdarm! Übrigens: Die meisten Fische sind stumm, nur der Knurrhahn knurrt!
 
Haben Sie bei Wörtern mit /-sch/ das Geräusch von Wasser im Ohr?
Waschen, rauschen, rascheln, duschen, wischen, zischen.
 
Es gibt auch Lautmalereien, Alliteration genannt, in 1 oder 2 Wörtern, die sich nur durch veränderte Vokale unterscheiden:
 
Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp-klapp!
Die Uhr, die macht tick-tack, und zur vollen Zeit bim-bam!
Die Kugeln machen klick-klack!
Wirrwarr, Schnickschnack, Mischmasch, Zickzack, Krimskrams und Singsang.
 
Bei Jacque Offenbachs Oper Hoffmanns Erzählungen muss der Kopf des Zwergs Klein-Zack defekt gewesen sein: Mit dem Kopfe, mit dem Kopfe, da ging’s Krick-krack!
 
Die deutsche Sprache ist nicht besonders reich an Lautmalereien, die japanische besitzt 3 x so viele lautmalerische Wörter und die beliebtesten Formen sind Reduplikationen, also Verdoppelungen der Wörter.
 
Beispiele der Lautnachahmung (gion-go) sind:
 
gacha-gacha  = klappern, wanwan = wauwau, buubuu = ein Schwein grunzt,
chirin-chirin =  klirren, nyaanyaa = miau, zazaa =  strömender Regen,
kasa-kasa = rascheln, pachipachi = Händeklatschen.
 
Wir leben in einer Welt der Geräusche. Die Sprache ist ein Teil davon!
 
Quellen zur Onomatopöie
Wikipedia: Lautmalereien.
Porzig, Walter: „Das Wunder der Sprache“, Francke Verlag München, 6. Auflage 1975, S. 21ff.
Crystal, David: „Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache“, Kapitel 30 Lautsymbolik, Campus Verlag, Frankfurt 1995.
 
Hinweis auf ein weiteres Blog über Geräusche
03.10.2012: Allerlei Geräusche: Wer nicht hören will, muss fühlen
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
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