Textatelier
BLOG vom: 29.08.2014

Das Laufen. Und vom Durchlauferhitzer, Esel und Jogging

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Westdeutschland
 
 
Wer von Basel CH in südwestlicher Richtung gegen Delémont zufährt, kommt ins Städtchen Laufen im Bezirk Laufen (Kanton Baselland). Auch in Bayern D gibt es einen Ort vor den Toren Salzburgs, also nicht weit von der österreichischen Grenze entfernt, mit dem Namen Laufen, hier mit dem Zusatz „an der Salzach“. Der Name dieses Orts leite sich, so kann man in der Ortschronik lesen, von „sich schnell bewegendem Wasser“ ab. Dieses war wichtig für die Produktion und Beförderung von Salz. Der Name taucht noch öfters als Ortsname oder als Ortsteil bei weiteren Städten auf (etwa Laufenburg D und CH), wo Wasser schnell über Felsen im Flussbett strömte.
 
Jedenfalls gibt mir die genannte Ableitung einen Hinweis darauf, was „laufen“ bedeuten kann, nämlich die schnelle Bewegung. In erster Linie denke ich daran, einen Fuss vor den anderen zu setzen, und an die Fortbewegung, die schneller ist als das Schreiten und Gehen, aber langsamer als das Rennen und Spurten; ausserdem daran, dass ich nicht fahre oder mich sonstwie vom Ort entferne. Anderseits sind alle diese Fortbewegungsarten, allgemein formuliert, wiederum nichts anderes als Laufen.
 
Es geht um „Bipedie“, von lateinisch: „bi“ = doppelt und „pes“ = Fuss, allerdings werden zu den Arten der Bipedie auch das Stehen, Hüpfen und Hopsen gezählt.
 
Wussten Sie, dass das menschliche Laufen nichts anderes ist als zu verhindern, dass man hinfällt? Wikipedia definiert das Verb „laufen“ unter dem Begriff „Bipedie“ so:
 
„Laufen ist ein inhärent fortlaufender Prozess, im Gegenteil zum Gehen. Ein zweibeiniges Wesen oder Gerät befindet sich, wenn es effizient läuft, in einem andauernden Zustand des Vorwärtsfallens. Dies wird nur durch das wiederholte Selbstauffangen zum richtigen Zeitpunkt, aber im Falle des Laufens eben nur mit dem Aufschieben des fast unausweichlichen Falles für die Dauer eines weiteren Schrittes als relativ gleichmässige Bewegung aufrechterhalten.“
 
Wiktionary definiert noch umfangreicher:
 
„1. von Lebewesen allgemein: sich schnell auf den Beinen (selten: anderen Gliedmassen) fortbewegen 2. von Menschen: (zu Fuss) gehen 3. von Flüssigkeiten: sich fortbewegen 4. von technischen Einrichtungen und: funktionstüchtig sein oder angeschaltet sein 5. laufen lassen, ugs. für freigeben.
 
Synonyme:
zu 1.) fortbewegen, gehen, marschieren, rennen, schreiten, spazieren, sprinten, trippeln; zu 3.) rinnen, fliessen; zu 4.) ablaufen, funktionieren; zu 5.) freigeben, freilassen.“
 
Jetzt ist es ‒ bis auf Ausnahmen ‒ nicht mehr sehr schwer, folgende Aussagen zu verstehen:
 
Er läuft Marathon. Er ist ein Schnellläufer (1.).
 
Der Volkswagenkonzern bewarb sein Auto mit der Behauptung: „Er läuft und läuft“ (4.).
 
Meine Nase läuft. Ich habe eine Laufnase (3.).
 
Am Lauf der Dinge kann ich nichts ändern (5.).
 
Die Zeit läuft mir davon (?).
 
Das Blut läuft aus ihm heraus (3., 5.).
 
Der Überlauf war verstopft (4.).
 
Der Ablauf (Verlauf) des Tages gestaltete sich abwechslungsreich (4.).
 
Es war fast kein Durchkommen, die Stadt war so überlaufen von Menschen (?).
 
Die kochende Milch ist übergelaufen (3.).
 
Er hat die Fronten gewechselt, er ist ein Überläufer (?).
 
Er war ein Mitläufer, er hatte keine eigene Meinung (4.).
 
Er hat die Schule ohne Wiederholungen durchlaufen (4.).
 
Das Kind bewegt sich auf einem Laufrad ohne Pedale (1.).
 
Der Main ist ein Zulauf zum Rhein (3.).
 
Der Prediger hatte einen grossen Zulauf von Menschen (2.).
 
Das Kind hat sich im Wald verlaufen. Es hat sich verirrt (2.).
 
Die Rechnung beläuft sich über diesen Betrag, so hoch ist sie (?).
 
Die Fahrradgangschaltung hat einen Freilauf (4.).
 
Er setzte mich mit dem Läufer schachmatt (?).
 
Wir haben im Flur einen Läufer auf dem Fussboden (?).
 
Bei www.runnersworld/knigge lesen Sie Benimm-Regeln für Läufer (1.).
 
Ein hübsches Wort ist „der Durchlauferhitzer“:
Es bezeichnet ein Gerät zur Bereitstellung von heissem Wasser, das nicht in einem Kessel gespeichert, sondern durch elektrisch erhitzte Drähte in Heizspiralen direkt beim Vorbeiströmen des Wassers auf Temperatur gebracht wird. Jemand, der sich durch schnelle Bewegung zum Schwitzen bringt, ist ein Durchlauferhitzter!
 
Die „Laufmasche“ kennen die Damen der älteren Generation nur zu gut: Bei den Nylonstrümpfen der ersten Zeit kam es oft vor, dass ein Faden riss und dieser „eine Laufmaschenleiter“ vertikal von oben nach unten hervorrief.
 
Übrigens: Jogging ist die grösste Lauf-Masche aller Zeiten! (Eine Masche, von jiddisch: „mezo“, ist umgangssprachlich ein Gewinn oder eine Lösung!)
 
Es gibt auch ein deutsches Volkslied, das dem Laufen gewidmet ist und erzählt, dass ein Jäger laufen muss, will er ein Tier schiessen, aber er läuft weg, weil ihm die Situation nicht geheuer ist: 
Ein Jäger längs dem Weiher ging,
Lauf, Jäger, lauf.
Die Dämmerung den Wald umfing.
Lauf, Jäger, lauf, Jäger, lauf, lauf, lauf,
Mein lieber Jäger, guter Jäger lauf.
Mein lieber Jäger, lauf. 
Mutig ist er jedenfalls nicht, wie in einer späteren Strophe zu hören ist, dabei war es nur der Schein des Mondes, dessen Schatten den Hasen wie ein Untier erscheinen liess: 
Der Jäger lief zum Wald hinaus,
Lauf, Jäger, lauf.
Verkroch sich schnell im Jägerhaus.
Lauf, Jäger lauf, Jäger, lauf, lauf, lauf... 
Sprichwörter in den Kulturen zum Thema:
 
Besser schlecht fahren, als stolz laufen (Deutschland).
Du läufst zu schnell, du bist zweimal gelaufen (Jamaika).
Besser man fragt zweimal, als dass man sich einmal verläuft (Dänemark).
Wer andere jagen will, muss selber gut laufen können (Schweden).
Lass nie deine Schuhe schneller laufen als deine Füsse (Schottland).
Wer schnell geht, bleibt auf der Strasse (Albanien).
Es kommt nicht darauf an, wie schnell du gehst, so lange du uns nicht besuchst (indianisch).
Schnelles Laufen ist keine Gewähr dafür, dass du dein Ziel erreichst (aus Afrika).
 
Noch etwas aus der Geschichte Deutschlands:
Erich Honecker, Staatsratsvorsitzende der 1989 untergegangenen „Deutschen Demokratischen Republik“, wird die Aussage zugesprochen:
 
Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs‘ noch Esel auf!“, womit bewiesen wurde, dass die Bevölkerung nicht so dumm war und man Sprüchen nicht immer Glauben schenken soll!
 
 
Quelle
http://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Laufen%2C+Gehen&seite=6
 
Hinweis auf Textatelier.com-Artikel zu Sprache
 
Blogs
 
Hinweis auf ein Blog zum Laufen
20.02.2009: Irren heisst, ohne Kenntnis der Richtung umherzulaufen
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst
Altes Giftbuch entdeckt – Wurde Mozart vergiftet?