Textatelier
BLOG vom: 09.05.2016

Wer manipuliert eigentlich www.google.ch?

Autor: Pirmin Meier, Historiker und Schriftsteller, Beromünster LU/CH


Galt gemäss einem Gespräch zwischen Napoleon und Goethe in Erfurt noch die Losung „Die Politik ist das Schicksal“, scheint heute aktuell zu sein: "Sage mir, wie du im Netz präsentiert wirst, und ich sage dir, wer du bist.“ Wie einer in WhatsApp in Erscheinung tritt, bei Google, Bluewin. Dropbox und Facebook, bestimmt heute nicht unwesentlich das Erscheinungsbild einer mehr oder weniger öffentlichen Person. Zur partiellen Demokratisierung der Öffentlichkeit gehört es, dass es heute nicht Tausende, eher schon Millionen von öffentlichen Personen gibt und dass sich sogar die Meinung breit macht, Recherche im Internet sei Recherche über eine Person. Aus der Sicht des Historikers wiewohl auch des wirklich professionellen Journalisten ist dies bei weitem weniger als die halbe Wahrheit. Dabei ist zu akzeptieren, dass das Netz, wie alle Datenträger, nicht grundsätzlich schon manipuliert ist. Es kann im Einzelfall ein Weg zur Wahrheit sein, wiewohl derjenige, der sucht, über kritische Voraussetzungen verfügen muss, soll er nicht massiv hineingeleimt werden. Ausserdem scheint es nicht falsch zu sein, dass sich Suchmaschinen wie google dagegen zur Wehr setzen, dass über Firmen und Personen faktische Werbetexte jeweils zuerst und zuoberst präsentiert werden.

Auch Wikipedia versucht sich in dieser Hinsicht, wiewohl nicht immer mit Erfolg, zu immunisieren. Nebst dem Werbeaspekt existieren Negativ-Stereotypen. Ein Beispiel sind frühere Netz-Darstellungen des Ringier-Publizisten Frank A. Meyer. Es handelte sich um erkennbar feindbildorientierten Schrott. Ich sage das nicht als Anhänger oder Gegner des Genannten, habe ich mich doch selber über www.textatelier.com und www.schweizermonat.ch um ein differenziert-kritisches Porträt des vielleicht bekanntesten lebenden Journalisten der Schweiz bemüht. Anhängerschaft und Feindbildbekenntnis sind in gleicher Weise nicht informativ. Wer meine Porträts im Netz liest, hauptsächlich in www.portal-der-erinnerung.de sowie beim Textatelier, im Schweizermonat, bei www.lu-wahlen.ch sowie gelegentlich als Nachruf in der Weltwoche, mag sein Urteil nach diesem Kriterium ausrichten.

Eine öffentliche Person ist gemäss ihren öffentlichen Auftritten, Reden, Medienterminen, Artikeln usw. zu beurteilen, ferner über Nennungen in Zeitungen, Zeitschriften, Sendungen usw. Eine verbindliche Aussageform ist das Buch, sofern man es selber geschrieben hat (was zum Beispiel bei John F. Kennedy mindestens einmal nicht der Fall war). Um beim eigenen Beispiel zu bleiben: Ich habe in den letzten zwanzig Jahren, also in der Epoche des Internet, mehrere hundert Vorträge gehalten, Ansprachen, Reden, auch viele hundert Artikel publiziert, nicht zuletzt zum Beispiel in den Zeitungen der Kantone Aargau, Luzern und in der Ostschweiz, was in der Regel bezahlte Beiträge waren. Rezensionen meiner Bücher erschienen überdies regelmässig in bekannten deutschen Zeitungen und Zeitschriften, so wiederholt in der FAZ.

Anstelle einer nicht vorhandenen Homepage pflege ich in den Portalen www.textatelier.com und www.lu-wahlen.ch eine Art publizistisches Tagebuch zu führen. Beispielsweise schrieb ich am 16. November 2015 unter dem Titel „Ismael Omar Mostefai – ein Gesicht des Terrors“ über das Attentat in Paris, so wie ich schon zu Beginn des Jahres 2015 eine Analyse betreffend das Attentat auf Charly Hebdo im selben Gefäss veröffentlichte. Gelegentlich kommt es zu Zweitveröffentlichungen solcher Beiträge, so im November 2015 in der Zeitschrift „Schweizerzeit“, dessen Herausgeber Ulrich Schlüer mir seit meiner Studienzeit bekannt ist und den ich als gut informierten Publizisten mit entschiedener Meinung zu schätzen weiss. Dass er als Publizist die Textsorte Polemik relativ häufig pflegt, muss er wie Frank A. Meyer selber verantworten. Ich möchte für das Meine einstehen. Unter anderem veröffentlichte ich in seiner Schriftenreihe mal eine Broschüre mit dem Titel „Politik, Prinzipien und das Gericht der Geschichte“, was mir Kritik an den bürgerlichen Parteien ermöglichte, einschliesslich der SVP und sogar an Christoph Blocher. Vor 17 Jahren gab ich der „Schweizerzeit“ ein Interview zu den Nationalratswahlen 1999, ebenfalls mit Kritik an den bürgerlichen Parteien. Der Vorwurf lautete, den Sektor Kultur der Linken zu überlassen und die geistige Auseinandersetzung nicht ausreichend zu suchen, sei ein Hauptfehler der heutigen Bürgerlichen. Zu diesem Text kann ich heute noch stehen, wiewohl er, auch im Zusammenhang mit meinen Publikationen, aus heutiger Sicht nun wirklich nicht meinen gegenwärtigen Stand repräsentiert.

Was hat das nun aber zu tun mit der Eingangsfrage, dass die Erwähnung im Netz „das Schicksal“ sei?

Orientiert man sich bei www.google.ch nach meiner Arbeit, kommt unter einer im Prinzip vierstelligen Zahl von im Internet dokumentierten Aktivitäten nach Wikipedia gleich zuerst das 17 Jahre zurückliegende Interview mit der Schweizerzeit, sodann die Zweitpublikation (ohne Nennung von www.textatlier.com) meiner Studie über Terror in Paris in der Schweizerzeit vom 18. November 2015. Unter meinen gegen 1000 Vorträgen der letzten 25 Jahre erscheint ein Gratisbeitrag bei der SVP Oberrohrdorf aus dem Jahre 2012, den ich im Anschluss an die dortige Generalversammlung auf Einladung ebenfalls eines Studienkollegen hielt, gemäss google offenbar mein wichtigster öffentlicher Auftritt der letzten Jahre gewesen zu sein. Hingegen müssen Festansprachen, etwa zum Kantonsjubiläum Aargau oder meine Bundesfeierrede in Baden 2015 im Netz mühsam gesucht werden. Desgleichen meine Rede zum 100. Geburtstag des Arbeiterschriftstellers Karl Kloter (2011) oder meine Kantonsporträts von Aargau und St. Gallen im St. Galler Tagblatt. Schwer im Netz auffindbar sind meine Analysen zum 300. Geburtstag von Jean-Jacques Rousseau, wie desgleichen meine scharfe und differenzierte Kritik am Überfremdungspolitiker James Schwarzenbach, worüber ich mich – wie zum Thema Todesstrafe – auch im Fernsehen geäussert habe. Geht es nach Google, scheine ich offenbar primär ein Mitarbeiter der Rechtspostille „Schweizerzeit“ zu sein. Selbstverständlich stehe ich zu jedem meiner Artikel, auch wenn ich für die genannten Beiträge kein Honorar genommen habe; im Gegensatz zu meiner regelmässigen Mitarbeit in grösseren Schweizer Zeitungen. Noch vergleichsweise leicht auffindbar sind Beiträge und Interviews für „20 Minuten“.

Was wissenschaftliche Gesellschaften betrifft, so stehen bei der Internet-Präsenz wiederum nicht die Schweizerische Paracelsus-Gesellschaft, die Reinhold-Schneider-Gesellschaft, die Heinrich-Zschokke-Gesellschaft im Vordergrund, auch nicht das Kulturforum Rickenbach und der Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schrifstellerverein ISSV, sondern die Thurgauer Huggenberger-Gesellschaft. Je aktiver ich in einer Gesellschaft tätig bin, desto weniger spiegelt sich dies im Netz wieder, wiewohl meine Vorträge jeweils in der Presse und weiteren Medien durchaus noch gut wahrgenommen werden. Wahrscheinlich liegt die Gewichtung deshalb auf dem Bauernschriftsteller Huggenberger (über den ich in www.textatelier.com geschrieben habe), weil dieser Autor vergleichsweise am meisten umstritten war und man als Mitglied der Huggenberger-Gesellschaft möglicherweise als rechtslastig qualifiziert werden kann, wiewohl dies pauschal in keiner Weise zutrifft.

Sehr wohl trifft es im Bereich von Kultur und Geistesleben jedoch zu, dass es Tendenzen gibt, notwendige sachliche Auseinandersetzungen abzuwürgen, indem man gewisse Repräsentanten gern und entschieden in eine bestimmte Ecke stellt. Dazu  passt freilich weniger, dass der Verfasser dieser Kolumne zum Beispiel vor zwei Jahren im historischen Sammelband „Argovia“ (2014) einen positiv würdigenden Essay über das Geschichtsbild des Generalstreikführers Robert Grimm geschrieben hat oder erst in diesem Frühjahr als wohl erster eine Vorlesung über den zumal für Linkskatholiken sehr bedeutenden Philosophen Gonsalv Konrad Mainberger (1924 – 2015) gehalten. Mit „rechts“ oder „links“ kann man weder den einzigartigen Gonsalv Mainberger noch erst recht den grossen Schweizer Philosophen Ignaz Paul Vital Troxler würdigen, über den ich am 19. Mai in St. Urban referieren werde. Anmeldungen an: info@troxlergedenkjahr2016.ch

Dass man sich jedoch mit der Schweizer Rechten geistig auseinandersetzt (notabene auch mit der deutschen Rechten), ist für mich als Publizisten eine Selbstverständlichkeit. Ich kenne grundsätzlich keine Berührungsängste mit keiner Richtung. Ich würde mich auch nicht dafür entschuldigen, dass ich vor rund 20 Jahren selbst mit einem berüchtigten Islamisten wirkliche Gespräche geführt habe und andererseits zum Beispiel in einem Kommunisten und Marxisten wie Konrad Farner, über den ich in Ostdeutschland wertvolle Dokumente geborgen habe, einen anregenden Schweizer Denker des 20. Jahrhunderts sehe. Wenn freilich aus der Sicht von www.google.ch Beiträge von mir in der Schweizerzeit (seit 1999)  als das Primäre hingestellt werden, stellt sich mir der dringende Verdacht, man wolle hier das Bild eines Autors in der Öffentlichkeit bewusst manipulieren.

Was Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften betrifft, so auch in der Schweiz am Sonntag, in der Neuen Luzener Zeitung und in der Weltwoche und selbstverständlich bei www.textatelier.com, so stehe ich für meine eigenen Artikel ein, nicht für die der anderen, die ich als Kollegen im Geiste in vielen Fällen nichtsdestotrotz zu schätzen vermag. Das Eintreten für das freie Wort sollte nicht mit „Distanzeritis“ verwechselt werden. Wer das Eigene verantworten will, sollte – wie die Leserschaft – die Fähigkeit aufbringen, auch anderes, mit der eigenen Meinung Inkommensurables, mindestens als Denkmöglichkeit im Suchen und Irren zur Kenntnis zu nehmen. Wir stehen heute in einer geistigen Situation, da, wie schon seit Jahren nicht mehr, das freie Wort abermals der Fürsprache bedarf.

Nicht zuletzt die Geschichten um Charly Hebdo und dem einmal mehr aufwuchernden Terrorismus mahnen uns, auf dem freien Wort zu beharren. Dies gilt mit dem grössten Nachdruck für Publikationen im Internet. Falls Google und andere Massengefässe mit möglichen Manipulationen Einschüchterungseffekte erzielen wollen, müsste man solchen Tendenzen unerschrocken Paroli bieten. Zugleich gilt: Das Bild eines Publizisten ergibt sich – über alles – auch jenseits von Manipulationen nicht über seine Beiträge im Netz. Eher schon ist es einigermassen repräsentativen Druckwerken zu entnehmen. Die Beiträge im Netz sind in diesem Sinn eine Ergänzung, ein Präsenzzeichen des Autors; am allerwenigsten aber „das letzte Wort“ eines Beiträgers.

 
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