Textatelier
BLOG vom: 03.10.2005

Das Paradox allgemein und rund um Arthur Koestler

Autor: Emil Baschnonga

Ich wusste nicht, dass sich das Paradox in so viele Kategorien (im Wikipedia nachschlagbar: http://de.wikipedia.org/wiki/Hempels_Paradox) spalten lässt, etwa in semantische: „Wenn ich mich nicht irre, wird die Welt in einer Woche enden“, in psychologische: „Wer dem Glück nachjagt, ist miserabel, aber wenn er etwas anderes verfolgt, ist er glücklich“; in philosophische: „Wenn die Wahrheit nicht besteht, ist die Aussage ‚die Wahrheit besteht nicht’, falsch und unangebracht“; oder „Es regnet, aber ich glaube nicht, dass es regnet.“ Alle diese Kategorien, mit vielen anderen mehr, zerklüften sich in viele weitere Untergruppen.

Paradox ist etwas, das einen Widerspruch in sich enthält. Wie soll man sich dem Paradox gegenüber verhalten? Ich zitiere mich hier selbst: „Der Wahrheitsfanatiker zürnt dem Paradox; der Weise schliesst es in die Arme.“ Ob ich so weise geworden bin, das bezweifle ich.

Zufällig las ich einen Nachruf auf Arthur Koestler zu seiner kürzlich begangenen Hundert-Jahr-Feier am 5. September 2005. Er verkörperte das Paradox.

In Budapest geboren, studierte Koestler Wissenschaft und Psychologie in Wien und wurde ein glänzender Journalist, Novellist, Essayist, Polemiker und focht für oft kontroverse wissenschaftliche und historische Thesen, denen er seine eigenen hinzugab (wie über die Abstammung der europäischen Juden im 9. Jahrhundert von den Khazar-Königen in Zentralasien, in „The Thirteenth Tribe“, 1976).

Er verbrachte einige Jahre im damaligen britischen Mandat Palästina; doch wandte er sich bald vom Zionismus ab und dem Kommunismus zu. Aber er verliess die Partei, als Stalin mit Säuberungsaktionen begann („Darkness at Noon“, 1940). Als Reporter in Spanien wurde er von den Falangisten verhaftet und in die Todeszelle eingesperrt. Dank britischer Intervention wurde er im letzten Augenblick freigelassen.

Er setzte sich für die Euthanasie ein und war auch für die Abtreibung (selbst seine Frau Cynthia musste sich seinem Diktat fügen). Anderseits trug er massgeblich zur Aufhebung der Todesstrafe in England bei. Die nukleare Abrüstung war ihm ebenfalls ein Anliegen, das er mit spitzer Feder propagierte. Koestler schrieb in vielen Sprachen, auch auf Deutsch, und nahm kein Blatt vor den Mund. Er verwickelte sich in allerlei Skandale mit dem Ergebnis, dass er geächtet wurde und in Vergessenheit geriet. Schwerkrank wählte er den Freitod, in den er seine Frau einbezog.

Ich verdanke Koestler ein Exemplar seines Buches „The Roots of Coincidence“ (Die Wurzeln des Zufalls), 1972 von Hutchinson of London publiziert. Mit einem Griff zog ich es vom Gestell, wiewohl ich es damals nur flüchtig durchgeblättert hatte. Sein Gedankengang war nach meinem Empfinden zu wissenschaftlich befrachtet und vertiefte sich ins Thema ESP = extrasensory perception (aussersinnliche Wahrnehmung). Dies überstieg mein Auffassungsvermögen. Ich legte es wieder an seinen Platz zurück. Immerhin hat es mich zum Wort Paradox (Paradoxon) gebracht, was ich als paradox empfinde, denn in seinem Werk steht kein Wort darüber. Dafür musste sein Leben hinhalten.

Irgendwo muss ein Paradox in mir bestehen. Wie kommt es sonst, dass ich mich seit kurzem mit Vorliebe auf Wortäste, die mit X und -xionen enden, einlasse? Oder ist dies einem Komplex zuzuschreiben?

Die Natur kennt keine Paradoxe. Der Mensch hat sie erfunden. Wir brauchen solche Paradoxe, um sie aufzudecken, heute mehr denn je in dieser widersprüchlichen Welt.

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