Textatelier
BLOG vom: 14.02.2006

Von Amerikanern, vom Valentinstag und Nachahmungstrieb

Autor: Heinz Scholz
 
Wie sehr die zur Übertreibung neigenden Amerikaner den Valentinstag lieben, geht aus den Zahlen des US-Einzelhandelsverbandes hervor. Der Umsatz der „verliebten“ Amerikaner für Geschenke betrug im letzten Jahr 13,2 Milliarden Dollar. An diesem Tag kann man richtig Kohle machen; da schlägt wohl jedes Verkäuferherz im rasenden Tempo. Auch die Zeitungsmacher profitieren von der Anzeigenflut. Schliesslich müssen die entsprechenden Geschenke beworben werden.
 
Jeder US-Amerikaner, so konnte ich in der „Badischen Zeitung“ vom 13. Februar 2006 lesen, gibt 100 Dollar für sinnvolle oder sinnlose Geschenke aus. So werden Ehefrauen, Verliebte und Geliebte mit Schmuck für 2,5 Milliarden Dollar behängt. Aber damit noch nicht genug: Für Grusskarten werfen die Amerikaner nochmals 1 Milliarde Dollar im wahrsten Sinne des Wortes zum Fenster hinaus. Auch die Floristen machen ein profitables Geschäft. Sie verkaufen am Valentinstag 180 Millionen Rosen als Liebesbeweis.
 
Und noch etwas entdecken die US-Bürger an diesem denkwürdigen „Feiertag“. Sie gehen wieder einmal richtig gut essen. 35 Millionen von ihnen sollen sich auf den Weg in die Gourmettempel machen. Nicht wenige verwechseln jedoch die Gourmetrestaurants mit McDonald's oder Burger King.
 
Es ist unglaublich, aber wahr, viele verschulden sich beim Geschenkekauf (bei uns ist dies an Weihnachten der Fall). Suzanne Boas, die Vorsitzende des Verbandes der Schuldnerberatungen, rät zur Masshaltung. Man könne auch weniger teure Geschenke kaufen, sagt sie. Oder man leiht sich einen Videofilm aus und verbringt einen romantischen Abend zu Hause.
 
Auch die Schokoladenindustrie und die Betreiber von Sonnenstudios haben an diesem Tag Hochkonjunktur. Viele Amerikaner wollen ihr Leben mit Schokolade versüssen und gebräunt ihren Liebsten gegenübertreten. Verkaufsschlager sind auch Potenzmittel. 40 Millionen Amerikaner, die nach Umfragen keinen Sex mehr haben, wollen es noch einmal wissen und hoffen auf liebevolle Umarmungen oder was noch dazu gehört.
 
Auch die Haustiere kommen nicht zu kurz. Schliesslich sollen auch die lieben Tierchen etwas vom Valentinstag haben. Sie bekommen besonderes Tierfutter und Haustierspielzeug (hoffentlich kein Kriegsspielzeug!). Da können die Tiere schlemmen und in der Wohnung herumtollen. Wie der Korrespondent der „Badischen Zeitung“, Markus Günther, berichtet, geben 1,5 Millionen Amerikaner mehr Geld für ihre Tiere aus als für ihren Partner.
 
Auch Privatdetektive profitieren!
Das hören unsere Chefs wohl nicht gern: Das Geschenkeverteilen an Sekretärinnen. Diese bekommen nämlich von ihren Chefs an diesem Tag ein Geschenk. Auch zufriedene Schüler lassen ihren Lehrern eine Aufmerksamkeit zukommen.
 
Und noch eine Branche profitiert vom Valentinstag (kaum zu glauben). Es sind Privatdetektive, die fremdgängerisch veranlagte Ehemänner oder Ehefrauen nachspüren. An einem solchen Tag werden nämlich übermässig viele erwischt, insbesondere, wenn sie nach Geschäftsschluss zuerst die Freundin bzw. Freund beglücken (mit Geschenken), dann kommt die wartende Ehefrau bzw. der Ehemann an die Reihe.
 
Wir machen den ganzen Rummel nicht mit. Ich meine, man braucht keinen Extra-Feiertag, um seinen Liebsten Dankbarkeit und Zuneigung zu erweisen. Es ist doch viel besser, wenn man spontan das eine oder andere Präsent überreicht und nicht auf kalendarischen „Befehl“ in die Geschäfte saust und über seine Verhältnisse hinaus Geschenke kauft.
 
Leider ist es so, dass wir Europäer einen unglaublichen Nachahmungstrieb entwickelten. Vieles Übertriebene, das aus den USA kommt, wird nachgeahmt und in unsere Bräuche integriert. Dies geschah auch mit Halloween. Einen Tag vor Allerheiligen wird jetzt auch bei uns gnadenlos herumgetollt. Von einem Zeitgenossen hörte ich allerdings, man solle lieber den Valentinstag oder Halloween feiern als für die USA in den Krieg zu ziehen ...
 
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