Textatelier
BLOG vom: 20.01.2005

Noch mehr Knallerei: Bushs Feuer- und Feierstunden

Autor: Walter Hess

Sind Sie wegen Bushs Amtseinsetzung in Partylaune? Schwelgen Sie gern in Superlativen? Sind Ranglisten Ihre Lieblingslektüre?

Der Reihe nach: Ich bin kein besonderer Freund des Leistungssports mit seinen Ranglisten. Mir ist vollkommen Wurst, wer am schnellsten das Lauberhorn hinunter fährt, wer am meisten Goals schiesst oder seinem Gegner das grösste blaue Auge boxt. Da staune ich lieber über wirkliche Sensationen wie die Bildung von Eiskristallen am Brunnen vor unserem Haus. Ich hoffe, mich mit derart kuriosen Ansichten in der Massengesellschaft nicht verdächtig zu machen.

Aber um Ranglisten kommt der Mediennutzer heutzutage nicht mehr herum. Die amerikanischen Medien haben das Rangieren (Ranking) zu ihrem Lieblingssport gemacht, und wir äffen nach, wie immer. Die Medien erküren willkürlich den „Mann des Jahres“ (was immer das heissen mag). Hollywood zeichnet die eigenen Filme nach Kategorien als die weltbesten mit Oscars aus (als Alibi ist gelegentlich ein ausländischer Streifen darunter), dekoriert die angeblich besten Darsteller, den besten Kameramann und den besten Kulissenschieber. Die Rankierer rankieren Unternehmen nach allen möglichen Kriterien, vergeben AAA- bis BBB-Bonitätsratings an Banken, listen aber auch Gefühle, Kauflaunen, Menschen nach Beliebtheitsgrad auf. Und den Rest – etwa über das grösste Handy der Welt – kann man im „Guinness Buch der Rekorde“ (Rang 1 auf meiner persönlichen Liste der überflüssigen Bücher) nachlesen. Nur eine korrekte Präsidentenwahl-Auszählung will den Amerikanern jeweils nicht so richtig gelingen. Viele Rankings dienen zu Manipulationszwecken, zur Berühmtheitsförderung einerseits oder zum Heruntermachen anderseits – US-Unternehmen belegen immer die vordersten Ränge, wenns um die Besten geht; Konkurrenten kommen weniger gut weg.

Wenn ein Ranking von den Personen erstellt würde, welche dem Erdball am meisten Schaden zugefügt haben, stünde US-Präsident George W. Bush einsam hoch oben auf dem Podest. Dieser Vorsteher der grössten Luftverpesternation (Number One) dieser Erde hat es immerhin geschafft, das im Dezember 1997 von 159 Ländern ausgehandelte Kyoto-Protokoll bis heute zu sabotieren: Nichts von Verringerung des Ausstosses an Treibhausgasen, die das Klima schädigen. Sein Land allein produziert etwa ein Viertel des globalen Kohlendioxidausstosses, ein Weltrekord. Das Ranking der grössten Autos mit dem höchsten Benzinverbrauch führt ebenfalls jene Nation der Uneinsichtigen an – und zwar immer mit Abstand.

Die Europäer geben sich Mühe, den Anschluss nicht ganz zu verpassen. So ist es ihnen jetzt gelungen, in Toulouse den grössten zivilen Jet (A380-800) zu taufen, den „Superbus“ (der grösste Europäer), ein Grossraum-Doppeldecker; der Airbus kann demnächst bis 853 Passagiere aufs Mal 15 000 km weit befördern. Wenn alles gut geht. Manchmal erlischt die Grösse wie ein Traum. Hoffentlich wenigstens in diesem Fall nicht.

Der unter anderem von der Erdölindustrie korrumpierte „mächtigste Mann der Welt“ – wieder so ein Superlativ − als Vorsteher des globalen Dorfs, in das die ganze Menschheit mit Gewalt getrieben wird, organisiert lieber Kriege in Erdölländern (im Moment ist gerade der Iran im Visier). Und wenn dabei einige Schüsse hinten hinausgehen, stillt Bush den Öldurst seiner Nation eben im nördlichsten Bundesstaat, in Alaska, notfalls auch im Naturschutzgebiet Arctic National Wildlife Refuge. Ein erster Schritt dazu ist gemacht: Laut Der Spiegel vom 14. Januar 2005 („US-Gericht genehmigt Ölbohrungen in Alaska“) gab irgendein willfähriges US-Bezirksgericht dieser Tage sein Ja-Wort zum Bohren und Naturverschandeln. Die Bush nahe stehenden Erdölkonzerne schätzen dies. Bush tut alles, um sich die ihm in Form von Wahl- und Partyspenden zugegangenen Geschenklein erkenntlich zeigen zu können – ein Ehrenmann. Von Korruption wagt niemand zu sprechen. Der globale Dorfhäuptling ist schliesslich unantastbar.

Auch beim Biowaffen-Protokoll, das Kontrollmechanismen für biologische Waffen schaffen wollte, mochte dieser Ehrenmann nicht mitmachen. Warum eigentlich nicht? Es durfte nur gerade im Irak danach gesucht werden. Man müsste die B-Waffen-Suche Richtung USA verlagern und würde garantiert fündig. Dort gibt es Rekordmengen davon, zum Beispiel Milzbrand-Pulver (laut „Washington Post).

Zu den gravierendsten Umweltverpestungen gehören auch genmanipulierte Nutzpflanzen, die der Welt durch US-Konzerne aufgedrängt werden, um mit der Zeit die Landwirtschaft überall in den Griff zu bekommen: Die moderne Form der Sklaverei; diesmal sind die Landwirte die Leibeigenen. Wer sich wehrt, verstösst gegen die von den USA beherrschte Welthandelorganisation WTO. Der Superlativ liegt hier in der Folgenschwere.

Wenn die USA den Naturschutz im eigenen Land abschaffen, um mehr Geld für die militärische Aufrüstung im Weltmeisterformat zur Verfügung zu haben, dann können wir dem wenig entgegenhalten, auch wenn die Auswirkungen global sind. Das Schlimme ist aber die weltweite Nachahmung des kriminellen Verhaltens gegenüber der Natur durch alle jene, denen ebenfalls keine Ethik in die Wiege gelegt worden ist und denen es aus wirtschaftlichen Gründen gerade genehm ist. Umso mehr sind jene Firmen zu loben, die keinen ökologischen Schaden hinterlassen wollen.

Die Signale von dort drüben, die gegen die Zeitrechnung verstossen, wirken sich verheerend aus. Und die Welt verhält sich in einer untertänigen Rolle, wagt aus Angst vor Strafaktionen nicht, aufzumucken. Sie müsste aufschreien, aufbegehren und in rekordverdächtigem Stil Konsequenzen ziehen.

Als Grundlage dazu könnte ein Ranking der arrogantesten US-Verhaltensweisen dienen. Diese umfangreiche Rangliste müsste dann Anlass sein, eine übermächtig und übermütig gewordene Nation in Schranken zu weisen. Jedermann sollte das nach seinen Möglichkeiten ohnehin tun und aus der Koalition der Hörigen und Willigen ausbrechen.

Doch organisierter, nicht endenwollender Jubel ist das, was der ruhmsüchtige globale Dorfhäuptling will. Die von der Wirtschaft gesponserte, viertägige 40-Millionen-USD-Bush-Party zum Beginn der 2. Amtszeit beginnt am heutigen 20. Januar 2005, „die prunkvollste und teuerste Zeremonie in der US-Geschichte“, wie Die Tageszeitungschrieb. Wer dabei sein will, zahlt Wucherpreise. Die Flugabwehrraketen sind installiert, Jagdflugzeuge sind abwehrbereit, 6000 Polizisten und 7000 Polizisten im Einsatz – auf Kosten des Volkes. Die Korken und Feuerwerkskörper knallen in einem Umfeld begründeter Angst; die Abgase aus der Pyrotechnik nebeln ein. Und die einfältige Welt darf applaudieren. Ohne mich. Anschliessend wird Bush weitere 4 Jahre lang beschäftigt sein, sich seinen Geldgebern und den Lobbyisten gegenüber erkenntlich zu zeigen, welche die pompöse Feier finanziert haben.

Die Natur gehörte nicht zu den Spenderinnen von Geld für die Riesenparty. Die Folgen davon sind abzusehen. Ihre Bedürfnisse zählen nicht. Ist da wirklich noch jemand zum Feiern zumute? Und: Braucht es noch mehr Feuerwerk made in USA?

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