Textatelier
BLOG vom: 03.11.2008

Reaktionen auf Blogs (75): Das Rezept heisst Leerverkauf ...

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Beschönigungsversuche würden nur noch lächerlich wirken: Die Globalisierung erweist sich spätestens jetzt als der grösste Schwindel, als die verheerendste Katastrophe der Menschheitsgeschichte. Nach dem neoliberalen System dient sie zur unendlichen Vermehrung von Dollars und der Macht der auf Pump und auf Kosten der übrigen Welt lebenden US-Bevölkerung. Wir haben im Blogatelier diesen Vorgang, der auf der Illusion der Unbegrenztheit beruht, anhand verschiedener Auswüchse immer wieder unbeschönigt dargestellt, zum Beispiel im Blog „Antiglobalismus: Aus dem neoliberalen System ausbrechen“ vom 24.10.2008. Dazu trug Martin Eitel (E-Mail: m.eitel@gmx.net) folgende ergänzende Feststellungen bei:
 
Dass nicht unerhebliche Teile der Bevölkerung den Globalisierungsschwachsinn inzwischen durchschaut haben, der nur wenigen gigantische Vorteile, der Mehrheit aber nur Nachteile bringt und der Umwelt schadet, hat meiner Meinung nach nicht nur das letzte gute Wahlergebnis zugunsten der SVP (Schweizerische Volkspartei) in der Schweiz gebracht, sondern auch die guten Ergebnisse für die FPÖ/BZÖ in Österreich und die hohen Zuwächse bei den Freien Wählern bei der letzten Landtagswahl Ende September 2008 in Bayern gezeigt. Das wird den Globalisierungsanhängern um den Rockefeller-Clan und Konsorten erhebliche Probleme bereiten, weil sie diese Parteien und Wählervereinigungen wohl kaum auch noch ‒ wie schon die konservativen, sozialistischen und liberalen Parteien ‒ durch Zuteilung von Posten in der Trilateralen Kommission korrumpieren können, wo jenseits aller Parteigrenzen und ausserhalb demokratisch gewählter Institutionen die wesentlichen Grundentscheidungen getroffen werden. Deshalb werden solche Parteien von den Globalisierungsanhängern auch gern als rechtspopulistisch bezeichnet, um ihren Wählern ein schlechtes Gewissen einzureden. Erfreulicherweise fallen immer weniger Bürger auf diesen Schwachsinn herein.
 
Der luxuriöse US-Lebensstil auf Fremdkosten
Und mit Bezug auf das Blog „Börsentag-Analyse: Von Paketeschnürern und von Mitläufern“ vom 17.10.2008 schrieb Martin Eitel, seinen kritischen Gedankengang fortsetzend:
 
Dass die Amerikaner ihren luxuriösen Lebensstil auf Pump zu Lasten der übrigen Völker verwirklichen, indem sie nicht nur die Schrott-Wert-Papiere weltweit verkauft haben, sondern auch für ordentliche ausländische Produkte mit weitgehend wertlosem Papiergeld bezahlen, scheint wohl inzwischen immer mehr Bürgern und Politikern auf der Welt klar zu werden.
 
Aber auch in den USA scheinen inzwischen zumindest Personen mit einem gewissen Intelligenz-Potential zu begreifen, dass es so wie bisher dort nicht weitergehen kann.
 
Ich verweise insoweit z. B. auf ein Interview in der FAZ vom 16.09.2008 (vgl. auch FAZ.NET) mit Peter G. Peterson von Blackstone („Ist der amerikanische Traum noch zu retten?"), der dort ausgeführt hat, dass sich die USA in eine fiskalisch zügellose, Ansprüche stellende Gesellschaft verwandelt hätten, wo man alles wolle, alles jetzt gleich, auf nichts verzichten und für nichts bezahlen wolle.
 
Zutreffend hat Peterson auch die mangelhaften Ausbildungsresultate kritisiert und sich aufgrund seiner Feststellungen zur Aufgabe gemacht, eine Stiftung einzurichten, die die Bürger aufklären soll.
 
Vielleicht gibt es also doch noch etwas Hoffnung, dass sich etwas ändert.
 
So weit diese bemerkenswerte Zuschrift. Der Hoffnungsschimmer hat sich allerdings bereits wieder weitgehend zerschlagen, nachdem die US-Notenbank Fed durch eine weitere Leitzinssenkung auf 1 % gerade die Schuldenwirtschaft wieder angekurbelt hat. Japan kurbelte noch intensiver: Die japanische Zentralbank senkte den Leitzins von 0,5 auf 0,3 %, zumal das neoliberale Globalisierungssystem nur funktioniert, wenn die Leute immer mehr kaufen, ob auf Pump oder nicht spielt keine Rolle. Eine Konjunkturabkühlung ist unerträglich, Wachstumsunterbrüche eine Katastrophe.
 
Diese Ankurbelung des weiteren Schuldenmachens erfolgte in den letzten Tagen des Oktober 2008, als die hier bereits mehrmals vorhergesagte Kreditkartenkrise durch die Medien nicht mehr zu verheimlichen war, weil dummerweise der Kreditkarten-Konzern American Express in Bedrängnis gekommen war und 7000 Jobs killen musste. Denn die Zahlungsausfälle haben sich ständig gehäuft, und so wird die abgedroschene, in die übrige Welt hinausgeschobene Hypothekarkrise durch ein neues, wahrscheinlich noch grösseres Debakel in den Schatten gestellt. Selbstverständlich wird es den Amerikanern wieder gelingen, die Folgen auf die Mitläufer in aller Welt abzuwälzen. Die Banken dürften in eine weitere Bedrängnis kommen, zumal Visa und Mastercard (im Unterschied zu American Express) das Risiko auf die herausgebenden Banken abgewälzt haben. Die Privatinsolvenzen dürften in den USA noch dramatisch ansteigen. Das Leben auf Pump heisst in der westlichen Sprachregelung „negative Sparquote“.
 
„Im Netz der Beziehungen“
Erna Müller (E-Mail: eg.8@bluewin.ch) ist eine kritisch mitdenkende Leserin. Sie schrieb:
 
Lieber Herr Hess
Nun konnte ich mich in Ihre Blogs einlesen und bin überwältigt von der Fülle anregender Gedanken. Zum Finanzdebakel kommt mir stets Ihre Broschüre „Im Netz der Beziehungen“ (herausgegeben von der Eidgenössischen Gesundheitskasse EGK) in den Sinn. Denn darin entwerfen Sie bereits ein neues, mögliches Modell, um aus der Krise herauszufinden.
 
Vielleicht führt der Zusammenbruch zu einer Reorganisation auf einer höheren, komplexeren Ebene, die wir mit dem Verstand noch gar nicht fassen können. Wilhelm Reich (1897‒1957) spricht von der Kraft, die das Weltgeschehen in Gang hält, einer Energie (Orgon), die wir nutzen können, um nicht im Angstpanzer zu erstarren.
 
Da mich diese Art der Gedankenübertragung fasziniert, gebe ich immer gern meine Gedanken weiter, um so ein Gedankennetz zu spinnen im Meer der Möglichkeiten, denn wir können nicht mehr auf die alten Muster zurückgreifen, um die anstehenden Probleme zu lösen, und die neuen Muster sind noch nicht „greifbar“; das macht uns Angst.
 
Nun ist Kreativität angesagt, die das Materielle verblassen lässt, damit wir uns wieder in den Dienst des Lebenstriebs stellen.
 
Der Ausdruck „Konsum“ oder „Konsumation“ geht auf das lateinische consumptio zurück, was Aufzehrung, Vernichtung bedeutet; so eng hängen Tod und Konsum zusammen.
 
Mit meinen besten Wünschen und Grüssen
Erna Müller
 
Wie die Börsen funktionieren
Ein netter Bekannter aus dem Fernen Osten hat mir 2 Geschichten zur Funktionsweise des Finanzwesens bzw. zum Nachahmungsdrang, wie er an den Börsen herrscht, übermittelt, die ich hier gern im Originalton weitergebe:
 
It was autumn, and the Red Indians asked their New Chief if the winter was going to be cold or mild. Since he was a Red Indian chief in a modern society, he couldn't tell what the weather was going to be.
 
Nevertheless, to be on the safe side, he replied to his Tribe that the winter was indeed going to be cold and that the members of the village should collect wood to be prepared.
 
But also being a practical leader, after several days he got an idea. He went to the phone booth, called the National Weather Service and asked 'Is the coming winter going to be cold?'
 
„It looks like this winter is going to be quite cold indeed“, the weather man responded.
 
So the Chief went back to his people and told them to collect even more wood. A week later, he called the National Weather Service again „Is it going to be a very cold winter?“
 
„Yes“, the man at National Weather Service again replied, „It's definitely going to be a very cold winter.“
 
The Chief again went back to his people and ordered them to collect every scrap of wood they could find. Two weeks later, he called the National Weather Service again. „Are you absolutely sure that the winter is going to be very cold?“
 
„Absolutely,“ the man replied. „It's going to be one of the coldest winters ever.“
 
„How can you be so sure?“ the Chief asked.
 
The weatherman replied: „The Red Indians are collecting wood like crazy.“
 
This is how Stock Markets work…
 
Die andere Geschichte
Der junge Chuck will mit einer eigenen Ranch reich werden. Als Anfang kauft er einem Farmer ein Pferd ab. Er übergibt dem Farmer seine ganzen 100 Dollar, und dieser verspricht, ihm das Pferd am nächsten Tag zu liefern.
 
Am nächsten Tag kommt der Farmer vorbei und teilt Chuck eine schlechte Nachricht mit: „Es tut mir Leid, Kleiner, aber das Tier ist in der Nacht tot umgefallen.“ Meint Chuck: „Kein Problem. Gib mir einfach mein Geld zurück.“ ‒ „Geht nicht“, eröffnet ihm der Farmer. „Ich habe das Geld gestern bereits für Dünger ausgegeben.“
 
Chuck überlegt kurz. „Na dann“, fängt er an, „nehme ich das tote Biest trotzdem.“ ‒ „Wozu denn?“ fragt der Farmer. „Ich will es verlosen“, erklärt ihm Chuck. „Du kannst doch kein totes Pferd verlosen!“, staunt der Farmer.
 
Doch Chuck antwortet: „Kein Problem! Ich erzähl' einfach keinem, dass es schon tot ist..."
 
Monate später laufen sich Chuck ‒ fein in Anzug und schicken Schuhen ‒ und der Farmer in der Stadt über den Weg. Fragt der Farmer: „Chuck! Wie liefs denn mit der Verlosung des Pferde-Kadavers?“
 
„Spitze“, erzählt ihm Chuck. „Ich habe über 500 Lose zu je 2 Dollar verkauft und meine ersten 1000 Dollar Profit gemacht."
 
"Ja... gab's denn keine Reklamationen?"
 
„Doch ‒ vom Gewinner", sagt Chuck. „Dem habe ich dann einfach seine 2 Dollar zurückgegeben.“
 
Heute verkauft Chuck strukturierte Finanzprodukte bei einer Investmentbank.
 
… falls es diese Bank  noch geben sollte, wie dieser amerikanischen Erfolgsstory wohl beizufügen wäre …
 
Anleihe bei Kurt Tucholsky
Von Katrin Lorenz und dann auch von weiteren Lesern ist mir ein prophetisches, lyrisches Meisterwerk, das angeblich von Kurt Tucholsky stammt, übermittelt worden, welches dazu angetan ist, die triste Stimmung auf den Finanzmärkten etwas aufzulockern. Es soll 1930, also kurz nach dem Börsencrash von 1929 und beim Beginn der Weltwirtschaftskrise entstanden und damals in der „Weltbühne“ publiziert worden sein, als es noch keine Hedge-Fonds gab. Selbstverständlich stammt es weder von Tucholsky noch aus jener Zeit, sondern von einem modernen Spassvogel, Aber der Gag ist gelungen: 
Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heisst Leerverkauf.
 
Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen ‒ echt famos!
 
Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.
 
Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heisst, Bewohner müssen raus.
 
Trifft's hingegen grosse Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken ‒
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!
 
Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.
 
Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.
 
Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und ‒ das ist das Feine ja ‒
nicht nur in Amerika!
 
Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen ‒
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.
 
Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen Krieg gemacht. 
Wer dieses Gedicht auf die heutige Zeit übertragen will, muss kein Komma daran ändern. Das war die weise Voraussicht Tucholskys.
 
Welt und Fuge
Ein anderes Gedicht, das zur Finanz- und der damit einhergehenden Wirtschaftskrise passt, übermittelte uns Erna Müller. Es heisst „Welt und Fuge“ und stammt von Peter Kubikowski: 
Während die Welt aus den Fugen gerät,
schaust du tatenlos zu.
Während Firmen fusionieren,
Manager kapitulieren,
Jobs wegbetonieren,
schweigst du dich aus.
Wo bleibt dein Aufschrei?
Wo bleibt dein Verstand?
Wo bleibt deine Revolution?
 
Während die Welt aus den Fugen gerät,
glaubst du, verschont zu werden,
glaubst du, Firmen kümmern sich um dein Leben,
glaubst du, dein Job sei sicher.
 
Während die Welt aus den Fugen gerät,
betäubst du dich mit Konsum und Hightechkram.
 
Wach auf aus deinem Dornröschenschlaf!
Konsumdornen bohren sich in dein Fleisch,
lähmen dich und deine Kraft.
Steh auf und setz dich ein für die Welt!
Es geht um Leben und Tod.
Du glaubst mir nicht?
 
Gut!
Schau dich um,
Kriege, Mord, Tod.
System stürzen. Wandel, Wahnsinn tobt.
Politiker, PR-und Marketingstrategen halten dich dumm,
informieren dich in den Schlaf.
 
Mensch, wach auf ‒ die Welt brennt! 
Bericht aus Tschechien
Über seine Reise nach Tschechien hat Heinz Scholz eine 9-teilige Blog-Serie verfasst:
 
 
Zdraví Grygar schrieb dem Autor darauf in der Sprache des Landes; die Übersetzung besorgte freundlicherweise Milan Valovic, der Heinz Scholz und dessen Freunde von Sternberg aus zur Schmeiler Mühle führte:
 
Dobrý den, další informace o Bennisch naleznete na www.hbl.cz
 
(Guten Tag,weitere Information über Bennisch (Benešov) finden Sie an
 
V souèasné dobì jsem napsal knížku o staviteli Adofu Riegerovi, který vlastnil pilu a cihelnu.
 
(In dieser Zeit habe ich ein Buch über den Baumeister Adolf Rieger geschrieben, dem das Sägewerk und die Ziegelei zugeeignet waren.)
 
Zají­mají­ mì osudy vystìhovaných nìmcù z jejich vlasti tedy i z Bennisch
 
(Mich interessiert das Schicksal von Deutschen, die ihre Heimat verlassen haben, also auch jenes von Bennisch.)
Zdraví­ Grygar
 
Ein Schluck Absinth als Verdauerli
Wir schliessen diese Reaktionen-Zusammenstellung mit einer Anekdote zur Absinth-Geschiche ab, an die Isot Sautter (E-Mail: isautter@bluewin) im Nachgang zum Blog „Franche-Comté 3: Dem jungen Doubs entlang bis Pontarlier vom 25.06.2008 erinnert hat:
 
Als im vorletzten Jahrhundert ein lokaler Fischer nahe der Quelle der Loue trank, schmeckte es verführerisch nach Absinth ‒ etliche Tage vorher brannte eine Absinth-Fabrik in Pontarlier F; das Gesöff floss in den Doubs, versickerte und speiste die Quelle der Loue. Das Flüsschen mündet unterhalb von Dôle dann wiederum in den Doubs!
Isot Sautter
 
Zweifellos spricht es für die Qualitäten des Absinths, dass er ganze Gewässer zu parfümieren vermag. Wer die Weltpolitik verfolgt, benötigt gelegentlich solch ein Verdauerli dringend, eine Verdauungshilfe.
 
Hinweis auf die bisher erschienenen „Reaktionen auf Blogs
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
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