Textatelier
BLOG vom: 06.08.2010

Privatsphäre im Gestrüpp des Hausgartens entdeckt

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Manchmal gibt es für mich Tage, die ich am liebsten überspringen möchte, so auch gestern, als mein Drucker ausfiel und unaufhaltsam Makulaturseiten ausspuckte. Welche Taste ich auch immer drückte, der schwachsinnige Drucker reagierte nicht. Erst als ich ihn zum „default printer“ beförderte, beruhigte er sich. Gute 3 Stunden hatte ich mich geärgert, ein Zeitverlust und Papierverschleiss ohnegleichen. Die Schuld liegt an mir, der in der IT-Handhabe unbewandert ist, um Störfaktoren beizukommen, die jedes moderne Kind im Nu behebt. Wie rasch ein falscher Tastendruck von der Elektronik gerächt wird!
 
Ich musste am Ende des Tages meinen gestörten Gleichmut wieder in den Senkel bringen. Bei Wein und Kammermusik – Lautenmusik von Johann Sebastian Bach, herrlich von Julian Bream gespielt – lockerten sich meine vom langen Sitzen verkrampften Nackenmuskeln nach und nach. Beruhigt bezog ich nachher mein Bett. Gute Nacht!
*
Es gehört zu meiner Gewohnheit, frühmorgens im Garten zu spazieren. Um diese Jahreszeit schaue ich nach, ob sich neue Gurken und Zucchini pflückreif aufgeblasen haben. Noch immer haben sich die Tomaten nicht gerötet. Hingegen treiben die Kräuter munter neue Blätter (Koriander, Petersilie usf.) oder Röhrchen (Schnittlauch). Der Thymian und der Salbei sind inzwischen verblüht; doch die Lavendel-Dolden locken geflügelte Nektarschlürfer herbei. Sie naschen auch an den kleinen weissen Blüten des Basilikums. In einem Topf wurde der Dill seiner spindeligen Blätter beraubt und ist verdorrt. Doch in einem anderen Topf ist für Nachwuchs gesorgt. Mit Dill-Spitzen übersät, schmeckt der Reis am besten.
 
In meinem Kopf rumorte das Stichwort „Privatsphäre“. Darüber wollte ich ein Blog schreiben, da sie uns zunehmend beschnitten wird. Warum zog ich mich nicht in meine Klause zurück, um diesen Essay zu schreiben? Einfach weil mein Blick im wild wuchernden Gestrüpp hängen blieb. Damit musste ich endlich aufräumen! So zwackte ich wacker Äste ab, die zu viel Schatten warfen und den Fensterausblick in den Garten hemmten. Nachher galt es den Berg von Ästen zu zerkleinern und in Plastiksäcke zu stopfen. Als „garden waste“ (Gartenabfall) werden sie vom Council abgeholt und im Lastwagen entleert. Daraus wird Humus werden für die öffentlichen Grünflächen.
 
Für diese Pflicht habe ich einen halben Tag geopfert. Eigenartig, wie uns unerwartet das Pflichtgefühl überrempeln kann! Übrigens wurden die geleerten Säcke von den Arbeitern über die Gartenmauer geworfen. Ich versteckte sie sofort hinterm Schuppen, denn von solchem Gartenfron will ich verschont bleiben – bis zum nächsten Mal. Aber eine Pflicht muss ich bei diesem trockenen Wetter jeden Abend erfüllen: Mit der Wasserkanne die oben erwähnten Pflanzen begiessen, damit sie weiterhin gedeihen. Zum Glück bläst uns heute der Wettergott Regen zu. Mein Rücken ist froh darum.
 
Anhang
 
Einige aphoristische Dill-Spitzen
 
Stafettenlauf: Der Zeit gehört der Stab – der Lauf den Menschen.
 
Keine Philosophie ist den Tücken der Gegenwart gewachsen.
 
Jedes Ding hat seinen Willen. Jedes Unding mehrere.
 
Das Privatleben sichert man sich durch Schweigen.
 
Er pflanzte Kartoffeln und erntete Melonen.
 
Der eine will Blüte sein, der andere Wurzel. Keinem liegt am Stängel.
 
Ein sonniges Gemüt macht saure Gurken süss.
 
Pflichten sind übertragbar: Verpflichte andere, und du bist deiner Pflicht ledig.
 
Das Pflichtgefühl in der Ehe bedingt, dass sich der Mann fügt.
 
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