BLOG vom: 06.09.2011
Pedelec-Testfahrt: Mit dem Elektrovelo zur Dreiländerbrücke
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
Ich kenne Leute, die gern wandern, aber mit der Zeit Kniegelenksprobleme bekommen, sich jedoch scheuen, Wanderstöcke zu benutzen. Sie wollen nicht wahrhaben, dass sie nicht mehr die Jüngsten sind. Gerade bei längeren Abstiegen auf unebenen Wegen machen sich die Gelenke und Menisken unweigerlich bemerkbar. Ich rate deshalb jedem Wanderfreund, Teleskop-Stöcke zu benutzen, da durch den Einsatz dieser Hilfsmittel die Gelenke um 30 % entlastet werden.
Auch für Radfahrer gibt es Hilfsmittel zur Entlastung. Ein heute 87-jähriger Mann, der früher begeisterter Radfahrer war und die höchsten Bergstrassen des Schwarzwaldes mit seinem Velo (Fahrrad) befuhr, bemerkte vor 8 Jahren ein Nachlassen seiner Leistung, und er musste sich mit kleinen, nicht zu steilen Wegstrecken zufrieden geben. Nachdem er sich ein Velo mit einem Elektromotor angeschafft hatte, konnte er überall hinfahren. So mancher junger Mountainbikefahrer wunderte sich bei Bergauffahrten, dass der Alte mit soviel Schwung hinauffuhr und die Burschen manchmal sogar überholte.
Auch Wanderfreund Ewald kaufte sich kürzlich ein Elektrofahrrad („E-Bike“). Er befährt nun regelmässig damit herum und ist hellauf begeistert. Die Elektrofahrräder, sogenannte Pedelecs, sind zur Zeit der Renner. Mit einem E-Bike kann man bis ins hohe Alter mobil bleiben. Auch gibt es jetzt auch Jüngere, die das E-Bike zum Fahren an den Arbeitsplatz benutzen. Sie kommen dann ohne zu Schwitzen ins Geschäft.
Eines Tages schlug mir Ewald vor, man sollte doch einmal mit dem Fahrrad zur Dreiländerbrücke, die den Rhein von Weil am Rhein nach Huningue (Elsass F) überbrückt, fahren. Wir radelten schon am frühen Morgen los, um noch die morgendliche Kühle zu geniessen. An diesem Tag sollte es über 30 °C heiss werden. Ewald fuhr mit dem E-Rad, während ich mich mit einem Dreigang-Fahrrad schwitzend herumplagen musste. Er hatte mir versprochen, dass ich auf der Rückfahrt sein E-Rad benutzen dürfte.
Zum Glück ging es von Schopfheim aus über Lörrach und Riehen CH nach Weil am Rhein immer leicht bergab. Was ich spürte, war der harte Sattel und der eng anliegende Helm. Bei solchen Fahrten sollte man unbedingt einen Fahrradhelm tragen. Als wir kürzlich von Schopfheim-Wiechs in Richtung Adelhausen wanderten, sahen wir 2 Mountainbikefahrer, die eine Pause machten. Auf den Fahrradhelm angesprochen, erwiderte der eine, wie wichtig ein solcher Kopfschutz sei. Er fiel einmal vom Rad und knallte mit dem Kopf hart auf, so dass der Helm entzwei sprang. Sein Kopf blieb heil. Nun wusste er, wie wichtig ein solcher Helm ist. Nie mehr ist er ohne Helm herumgefahren.
Längste Fussgängerbrücke der Welt
Nach etwa 1 ½ Stunden Fahrt und einer Wegstrecke von 26 km erreichten wir die Dreiländerbrücke. Diese Fussgänger- und Fahrradbrücke ist in ihrer Kategorie (Bogenkonstruktion) die längste der Welt. Sie ist 248 m lang und 12 m breit. Ich war überrascht von der Breite und der imposanten Bogenkonstruktion. Die Brücke wurde 2007 eingeweiht. Vorher testeten 600 Freiwillige beider Rheinseiten die Brücke auf ihr Schwingungsverhalten. Die Brücke wird deshalb so genannt, weil weniger als 200 m von der Brücke entfernt das Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Schweiz liegt.
Wir fuhren über die Brücke, hielten kurz an und beobachteten einen Lastkahn, der mit voller Ladung in Richtung Basel fuhr. Auf der einen Seite sahen wir über Weil-Haltingen bis Ötlingen hinauf, auf der anderen Seite erblickten wir die Skyline von Basel. Am rechten Rheinufer sahen wir viele Schwäne und Enten. Wir fuhren mit dem Rad die Rampe, die sich auf der französischen Seite befindet, im eleganten Schwung hinunter und parkierten unsere Vehikel in der Nähe der Vogelfamilien. Die Vögel waren gerade dabei, die Reste von Brot einzusammeln und zu verzehren.
Dann erblickte ich eine Frau im Rhein. Sie sass auf einen Stuhl, der fast ganz eingetaucht war. Die erfinderische Frau verschaffte sich somit Kühlung. Ich fotografierte die Frau samt Ehemann, der dahinter im kühlen Nass stand. Ich sandte 2 Fotos an die „Badische Zeitung“. Unter der Rubrik „So gesehen“ wurde 1 Bild am 31.08.2011 mit folgender Bildlegende publiziert: „Cool: In der Hitze der vergangenen Wochen wurde jede Möglichkeit zur Abkühlung genutzt. BZ-Leser Heinz Scholz aus Schopfheim fotografierte diesen Sitzplatz im kühlen Nass am französischen Rheinufer nahe der Dreiländerbrücke.“
Dann ging es wieder auf denselben Wegen zurück, diesmal nicht gleich nach Schopfheim, sondern nach Lörrach. Dort speisten wir im China-Thai-Imbiss „Canton“ in der Grabenstrasse 2 (www.imbiss-canton.de). Ich wählte die knusprig gebratene Ente mit Reis und verschiedene Gemüse, während Ewald das schärfere Gericht vorzog, nämlich knusprig gegrillte Ente nach Szechuan Art. Dazu tranken wir ein kühles Bier.
Danach radelten wir aus Lörrach hinaus und kamen wieder auf den Radweg entlang der Wiese. Nahe Brombach durfte ich das E-Bike einmal ausprobieren. Nach einer kurzen Anweisung konnte ich losradeln und erreichte ohne Mühe, es ging etwas bergauf, Steinen und dann Maulburg. Das Schwitzen gehörte jetzt der Vergangenheit an. Ewald jedoch, der mein 3-Gang-Rad benutzte, wusste bald, was schwitzen bedeutet. Die letzen 4 km von Maulburg nach Schopfheim fuhr Ewald dann wieder mit seinem E-Bike. Insgesamt fuhren wir an diesem Tag 52 km.
E-Bikes werden gesellschaftsfähig
In der Online-Ausgabe des „Spiegels“ vom 30.08.2011 las ich, dass jetzt immer mehr E-Bikes verkauft werden. Sie werden gesellschaftsfähig und haben wohl den Ruf des Rentnerrads abgelegt. Gerade in den Grossstädten kaufen immer mehr junge Familien solche Räder. Zum Glück wurden so manche Kinderkrankheiten weitgehend behoben. Bemängelt wurde vor allem die kurze Akkuleistung.
Beim Kauf eines E-Bikes muss man natürliche aufpassen. So gab es laut ADAC-Test und Untersuchungen der „Stiftung Warentest“ nur wenige als „gut“ beurteilte Räder. Manchmal kam es zu einem Rahmenbruch und zu einem Bremsenflop.
Ewald hat sich beim Fachhändler für 2200 Euro das Pedelec „Vista Sport“ von der Firma Stevens, Hamburg, gekauft. Das Fahrrad hat einen Bosch-Mittelmotor (es gibt E-Bikes mit Hinterrad- und Vorderradmotor). Diese Konstruktion sorgt für eine optimale Gewichtsverteilung. Der leistungsstarke Akku befindet sich unter dem Gepäckträger. Der Akku mit Leuchtdioden zeigt immer den aktuellen Akkuladestand an (maximal 5 Balken). Die Schnellladezeit beträgt 2,5 Stunden (dabei läuft ein Gebläse, um die Erhitzung zu reduzieren), beim lautlosen Ladebetrieb wird die Zeit mit 8 Stunden angegeben. Jederzeit kann der Unterstützungsmodus eingestellt werden.
„Eco“: Wirksame Unterstützung bei maximaler Effizienz, für maximale Reichweite (ca. 19 km pro Akkufüllung).
„Tour“: Gleichmässige Unterstützung für Touren mit grosser Reichweite (ca. 97 km pro Akkufüllung).
„Sport“: Kraftvolle Unterstützung, für sportives Fahren auf bergigen Strecken sowie für Strassenverkehr (119 km pro Akkufüllung).
„Speed“: Maximale Unterstützung bis in hohe Trittfrequenzen, für sportives Fahren (ca. 81 km pro Akkufüllung).
Für jeden Unterstützungsmodus gibt es noch je 3 Unterstützungsstufen (bei „Speed“ beträgt diese z. B. 60 %, 130 % und 250 % der Leistung).
Das als „Weltneuheit“ angepriesene Tagfahrlicht ist ebenfalls bei dem erwähnten Modell installiert. Das Tagfahrlicht (Signal-LEDs) leuchtet maximal hell, der Hauptscheinwerfer leuchtet gedimmt auf die Fahrbahn. Diese Beleuchtung ist auch nachts zugelassen. Um die Fahrbahn nachts maximal auszuleuchten, wird der Einschaltknopf betätigt. Der Hauptscheinwerfer strahlt nun mit voller Leistung (40 Lux). Die Beleuchtungsstärke in Lux erhält man aus dem Quotienten der Lichtstärke einer punktförmigen Lichtquelle in cd (Candela = Lichtstärke von 1 Kerze) und dem Quadrat der Entfernung in Metern. Eine Kerze, die in ca. 1 m entfernt brennt, hat eine Beleuchtungsstärke von 1 Lux. Die Signal-LEDs leuchten vermindert hell. Das Licht leuchtet 300 % heller als in der StVZO-Vorschrift als minimale Beleuchtungsstärke gefordert. Strassenbeleuchtung hat 10 Lux und eine Büro-/Zimmerbeleuchtung weist 500 Lux auf (Quelle: Wikipedia).
Übrigens schaltet das erwähnte Modell beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h ab. Erst beim Treten der Pedale springt der Motor an. Diese Art von Pedelec ist in Deutschland nicht versicherungspflichtig und benötigt kein Kennzeichen. Anders sieht es mit Pedelecs aus, die ohne Treten fahren können und noch schneller sind (bis 45 km/h). Diese werden als Kraftfahrzeuge eingestuft. Alle, die ab dem 01.04.1965 geboren sind und keinen anderen Führerschein besitzen, benötigen laut ADAC eine Mofa-Prüfbescheinigung. Nähere Auskünfte erteilt jeder Fachhändler.
Einige Zitate über das Radfahren
„Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden wie beim Fahrrad.“
(Adam Opel)
„Es ist auf dem Fahrrad wie in der Wirtschaft: Wer sich nicht fortbewegt, fällt um.“
(Manfred Rommel)
„Nichts ist vergleichbar mit der einfachen Freude, Rad zu fahren.“
(John F. Kennedy)
Mark Twain und sein Fahrrad
Und nun noch eine amüsante Episode, die angeblich Samuel Langhorne Clemens Mark Twain (1835−1910) erlebt hat.
In seiner Jugend fuhr er als Schiffsjunge auf einem grossen Mississippidampfer. Und was lernte er dort? Das Fluchen. Als Mark Twain verheiratet war, kamen die Fahrräder auf. Der amerikanische Schriftsteller befasste sich mit diesen neuartigen Vehikeln und wagte es sogar, auszufahren. Nach seiner 1. Fahrt kam er reichlich mitgenommen zurück. Seiner Frau erklärte er, dass er jetzt wisse, was Fluchen heisse. „Aber du hast mir doch versprochen, nicht mehr zu fluchen“, warf ihm seine Frau vor. „Ich habe ja auch gar nicht geflucht“, erwiderte der Dichter, „das taten die Leute, die ich über den Haufen gefahren habe.“
Nun, wir haben bei unserer Ausfahrt keine Leute umgefahren. Wir fuhren auf dem Radweg immer scharf rechts und achteten bei Kreuzungen oder Einfahrten auf mögliche Radler, die vielleicht nicht so vorsichtig waren. Manche Fussgänger verscheuchten wir durch Klingeln von der Mitte des Radwegs.
Als uns eine Gruppe Schweizer auf ihren Rädern entgegenkam, hatte Ewald die Idee, den Anführer der Radlerschlange zu fragen, wohin der Weg führe. Der Radfahrer fuhr langsam weiter und entgegnete: „Da können wir nicht anhalten.“ Er hatte Recht, weil sonst die hinter ihm Fahrenden nicht rechtzeitig bremsen konnten. Die Radfahrer fuhren nämlich in zu kurzem Abstand hinter ihrem Führer her. Schon als dieser seine Fahrt verlangsamte, kam die Schlange etwas durcheinander, es gab eine wilde Bremserei. Zum Glück passierte nichts. Ich sah vor meinem geistigen Auges schon die Fahrradfahrer herumpurzeln. Auch ohne Auskunft fanden wir dann doch den richtigen Weg nach Weil am Rhein.
Internet
www.spiegel.de („E-Bikes werden gesellschaftsfähig“)
www.spiegel.de („Mein Fahrrad hat jetzt Internet“)
Literatur
Test Elektrofahrräder: „Stiftung Warentest“, Heft 2011-08.
Pedelec-Test vom ADAC: „ADAC Motorwelt”, 2011-08.
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